Neue Wege gehen
Von Sabine Börchers und Benjamin Holler
Das Thema Kirchenentwicklung ist für alle Pfarreien eine Herausforderung. St. Josef kann dabei neue Wege gehen. Seit dem 1. September ist die Pastoralreferentin Gabriela von Melle vom Bistum Limburg damit beauftragt worden, sich in den kommenden fünf Jahren ausschließlich um pastorale Innovation in der Pfarrei zu kümmern. Damit ist St. Josef die dritte Pfarrei des Bistums, der diese Schwerpunktsetzung mithilfe einer solchen „Dynamischen Stelle Kirchenentwicklung“ ermöglicht wurde.
Als Auftakt für diese Arbeit hat sich der Pfarrgemeinderat jetzt gemeinsam mit dem Pastoralteam und den Teilnehmern einer Bistumsexkursion bei einem Klausurtag mit den Entwicklungsperspektiven der Pfarrei beschäftigt. Gabriela von Melle hatte den Tag unter ein Motto gestellt:
„Träume groß, gehe langsam, fange klein an“
Zu Beginn diskutierte sie mit den gut 30 Teilnehmern vier unterschiedliche Bilder, die in den 1970er Jahren als Reaktion auf das Zweite Vatikanische Konzil in Asien entstanden sind und die unterschiedlichen Entwicklungsstufen von Kirche symbolisieren. Das erste Bild zeigte den Pfarrer als zentrale Persönlichkeit. Die Anwesenden charakterisierten sie als Priesterfokussierte, dogmatisch geprägte, aber auch fürsorgende Kirche. Das zweite Bild, das sie unter den Oberbegriff „missionarische Kirche“ stellten, hob eine stärkere Beteiligung der Gläubigen hervor, die ausgesandt wurden, um zu lehren, Kranke zu besuchen, den Glauben zu verbreiten.
Ein drittes Bild zeigte die Gläubigen in Diskussionen über konkrete Glaubensfragen. Mit „Kirche in der Pubertät“ fanden die Teilnehmer einen griffigen Oberbegriff für den offensichtlichen Wunsch der Gläubigen, die Kirche stärker mitzugestalten und gemeinsam zu wachsen – vielleicht hin zu einer „Kirche Jesu Christi“, wie sie das vierte Bild zeigte, auf dem alle Gruppen und Aktivitäten im Hintergrund eine Christusfigur zeigten. Christus bildete hier das verbindende Element. „Die Gläubigen entdecken selber, sie sind von Christus in der Taufe berufen. Das verändert ihr Selbstbewusstsein“, fasste Gabriela von Melle die Interpretationen der Gruppe zusammen. Diese sah eine weitere These in dem Bild ausgedrückt: „Die Kirche hat eine klare Chance, auch ohne Hauptamtliche.“
Abschließend gab Gabriela von Melle zu bedenken, dass jedes dieser Modelle seine Stärken habe und dass alle Entwicklungsstadien auch heute noch parallel existierten. Dann forderte sie die Anwesenden dazu auf, selber ein fünftes Bild zu entwickeln, das die Zukunft der Pfarrei zeigen könnte.
Herausforderungen der Kirche sichtbar machen
Eine Gruppe hatte eine kreative Aufgabe: Sie sollte mit wenigen wild zusammen gewürfelten Gegenständen die Herausforderungen der Kirche vor Ort und mögliche Lösungsansätze bildlich darstellen. Aus Bauklötzen, Murmeln, Wolle, Klebeband und Pfeiffenreinigern wurde somit eine begehbare mögliche Zukunft der Pfarrei.
"Raus, raus, raus", sagt Pfarrgemeinderats-Mitglied Martin Hütter. Die Gemeinden müssten sich öffnen und rausgehen aus ihrem Palast. Aus Bauklötzen wird eine 'Festung Kirche' gebaut, dort heraus rollen Murmeln. Sie stehen für die Mitarbeiter und die Gemeindemitglieder, die sich ihren Stadtteilen mehr und mehr öffnen sollen.
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Die Kreativgruppe legte aber auch Wert darauf, dass eine zum Stadtteil hin geöffnete Pfarrei weiter für Beständigkeit stehen soll. Ein symbolischer Anker wurde hierfür gebastelt. Ein Herz verbildlicht die Liebe - und über allem schwebt eine aus Kordel gewickelte Wolke, die für den Heligen Geist stehen soll.
Ganz im Fokus steht aber die Öffnung nach außen: Hin zu anderen Menschen im Stadtteil, ob Christ oder nicht. Die Gruppe wünscht sich mehr Sichtbarkeit und mehr Vernetzung mit Vereinen, Glaubensgemeinschaften und Engagierten in Bornheim, Seckbach, Riederwald und Fechenheim.
Eine nächste Gruppe hat sich ebenfalls mit dem Wunsch nach mehr Miteinander über die Pfarrei-Grenzen hinaus beschäftigt. Sie fordert aber ebenso ein, den Gläubigen in der Kirche ein Zuhause zu geben. Dies bedeute, dass es stets eine geöffnete Kirche gebe, die immer besuchbar ist und zum Gebet sowie einen Moment der Stille und Einkehr einlädt.
IN DER KIRCHE ZU HAUSE FÜHLEN
"Man kann sich nicht in einer Kirche zu Hause fühlen, wenn sie voller Krempel steht und dunkel ist", sagt Diakon Lucas Weiß. Man müsse eine gewisse Qualität erwarten dürfen - von der Kirche und den Gottesdiensten: Sei es bezogen auf die technische Ton-Qualität, bis hin zu musikalischer Begleitung, Inhalte der Predigten und Gestaltung der Gottesdienste. Man solle prüfen, was spirituell möglich wäre, um Menschen über die Sonntage hinaus einzuladen, damit die Kirche als Ort für liturgisches Beisammensein weiter etabliert wird.
Um künftige Projekte zu planen, müsste in den Stadtteilen herausgefunden werden, welche Bedürftnisse zum Beispiel Eltern oder Kinder haben.
Raus, raus, raus
Forderung des Pfarrgemeinderates, im Stadtteil sichtbarer zu werden
Gabriela von Melle, die ihr Büro am Kirchort Heilig Geist im Riederwald hat, schilderte zum Abschluss der Klausurtagung von den Gesprächen im Stadtteil, die evangelische Gemeinde mit in die Gebäude der katholischen Gemeinde zu integrieren.
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Die Philippus-Gemeinde leidet noch mehr als andere Kirchen wegen stark sinkender Mitgliederzahlen. Ihr Gotteshaus ist für die meisten der Messen zu groß, und es ist nicht absehbar, dass sich daran alsbald etwas ändert. Das Projekt im Riederwald kann ein Beispiel und Vorbild sein für gemeinsame Glaubens- und Stadtteilarbeit.
Gemeinsames Projekt für den Stadtteil
So wird überlegt, die evangelische Gemeinde in das Gebäude der Heilig Geist-Kirche mitaufzunehmen. Derzeit wird geprüft, welche Bedarfe die Gemeinde, aber auch andere Vereine und die Riederwälder selbst an ein gemeinsames Haus im Zentrum des Stadtteils haben. Mehr Ökumene und christlicher Zusammenhalt könne kaum gelebt werden, als mit einem solchen Gebäude der Begegnung.
Spannende Gruppen-Diskussionen
In kleineren Gruppen wurden Ideen entwickelt, wie Kirche im Stadtteil sichtbarer werden kann. "Wir müssen andere Orte suchen und einen Ortswechsel wagen", hieß es aus einer Kleingruppe. So solle man die vielen Glaubensgruppen aus dem Frankfurter Osten zusammenbringen: Mit den muslimischen, jüdischen und orthodoxen Glaubensgemeinschaften könne man gemeinsame Projekte umsetzen. Die Corona-Krise solle sogar als Chance angesehen werden, um Themen und Veranstaltungen neu zu denken. Als eine Vorbild-Veranstaltung wurde in einer Diskussionsgruppe der Seckbacher Adventskalender erwähnt: Die Reihe im Dezember ist im Stadtteil verankert, über reine Kirchenkreise hinaus bekannt und geschätzt und habe dennoch eine christliche Prägung durch die Zusammenarbeit der katholischen Rosenkranz- und der evangelischen Mariengemeinde.
Selbstkritisch sprach eine Kleingruppe darüber, dass es schwer sei, sich von Veranstaltungen zu trennen, die einem zwar lieb geworden seien, die nicht selten jedoch nur noch aus einer Art 'Gewohnheit' organisiert werden. Man müsse sich ehrlich bewusst machen, welche Termine im Gemeindekalender "Ladenhüter" seien, die nur wenig Anklang in der Gemeinde finden. Solche Termine würden in der Organisation viele Kräfte binden, geringe Besucher-Zahlen würden Haupt- und Ehrenamtliche demotivieren und enttäuschen. Manche Arbeitskreise würden "wegsterben", sie fortzuführen, müsse geprüft werden. Stattdessen solle man Ressourcen, also die Zeit von engagierten Ehrenamtlichen, für neue Projekte und Ideen aufheben.
Ein solches neues Projekt könnte ein großes Kirchenfest im Ostpark sein. Darüber sprach eine weitere Kleingruppe. Der Ostpark liegt einerseits nah zu allen vier Kirchorten, er gehört andererseits zur Dompfarrei, wäre also "neutrales Gebiet" und somit idealer Ort für eine gemeinsame Feier, ohne einen der Kirchorte zu bevorzugen. Ein solches Open-Air-Event würde das Leben der Pfarrei nach außen sichtbarer machen.