Die meditierende Emanze
Sie schloss sich gegen den Willen ihrer Eltern einer christlichen Frauengruppe an und besetzte mit Gesinnungsgenossinnen ein kleines Haus, in dem sie eine Wohn- und Lebensgemeinschaft gründete. Dank ihrer guten Beziehungen konnte eine Räumung durch die Polizei verhindert werden. Ihre radikalen Ideen vom christlichen Leben brachten ihr viel Ärger ein. So musste sie sich z. B. vor einem Prüfungsausschuss für ihr Handeln ver-teidigen. Nicht zuletzt war sie eine Kämpferin für die Frauen-Emanzipation, die auch Sätze wie „Verflucht sei der Mann“ von sich gab.
Simone de Beauvoir sieht in ihr eine Vorkämpferin der Frauen-Emanzipation. Papst Paul VI. hat ihr 1970 als erster Frau den Ehrentitel „Lehrerin der Christenheit“ verliehen: Teresa (bzw. Theresia) von Avila. 1515 geboren, trat sie schon 1535, im Alter von 20 Jahren, in den Karmeliterinnen-Orden ein, obwohl sie in ihrer Jugend für Mode, Schönheit und Romantik aufgeschlossen war. „Sobald ich spürte, dass ich einem Mann gefiel und er mir, erfasste mich eine solche Zuneigung zu ihm, dass ich ohne Unterlass an ihn denken musste“, schrieb Teresa im Rückblick auf die Zeit. Wahrscheinlich erschien ihr das Ordensleben dann doch attraktiver als die Ehe. Ihre Mutter war nach einer Hochzeit mit 15 im Alter von 27 Jahren gestorben, nachdem sie viele Kinder zur Welt gebracht hatte. Vielleicht konnte sie sich auch die von Ehefrauen erwartete Anpassung, ja Unterwerfung unter einen Ehemann nicht vorstellen. „Nie ist es mir gelungen, meinen Verstand jemandem unterzuordnen, dem es daran fehlt“, sagte sie später einmal.

Teresa entschied sich für den Orden. Als Tochter aus gutem Hause bedeutete der Eintritt ins Kloster keineswegs den Verzicht auf jede Annehmlichkeit. Ihr Vater, der sehr wohlhabend war und anfangs Teresas Ordenseintritt scharf ablehnte, zahlte ihr eine ansehnliche Rente. Doch das Abenteuer eines ganz Gott gewidmeten Lebens schien zu misslingen. Nach einem Jahr war Teresa nervlich und körperlich am Ende. Das Grab war schon ausgehoben für sie, als sie doch noch die Krankheit überwand. Die folgenden Jahre waren Ordensalltag. Erst in ihrem vierten Lebensjahrzehnt erfährt Teresa so etwas wie eine zweite Bekehrung. Vor dem Bild des Gekreuzigten bricht sie in Tränen aus. Von da an wird Teresa immer wieder das Erlebnis tiefer mystischer Erfahrung zuteil. Doch trotz aller Glaubenserfahrung bleibt Teresa realistisch und pragmatisch orientiert. Sie erkennt, dass das Leben einer „Nonne aus besserem Hause“ nicht das Richtige für sie ist. Was liegt näher, als ein eigenes Kloster zu gründen. Mit vier gleich gesinnten Nonnen wird ein ärmliches Haus heimlich renoviert. Am Morgen des 24. August 1562 schleicht sich Teresa unter einem Vorwand aus dem Kloster. Kurz danach erklingt die Glocke des ersten von Teresa gegründeten Reformklosters. Eine Sensation: ein Kloster, nur von Frauen gegründet. Und nicht von reichen Vätern oder Brüdern finanziert. In einer Zeit, in der Frauen für unmündig gehalten wurden, ein mittlerer Skandal. Das aufgebrachte Volk von Avila, das sie als Spinnerin beschimpft und mit Steinen bewirft, ruft schließlich nach der Staatsgewalt. Doch Teresa kann den verdutzten Polizisten eine Verfügung aus Rom unter die Nase halten, die sie rechtzeitig vor der Klostergründung unter Umgehung des Amtsweges besorgt hatte.
In der Folgezeit gründete Teresa viele weitere Klöster in Spanien, in denen Arbeit und Meditation im Mittelpunkt stehen. Bei all dem organisatorischen Aufwand der Klostergründungen bleibt Teresa vor allem eine große Mystikerin, die immer wieder beglückende tiefe Glaubenserfahrungen macht. „Das innerliche Gebet ist nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammen sind“, sagt Teresa. Manchmal beklagt sie sich auch bei ihrem Freund im Gebet: „Wenn ich unsere Zeit überblicke, finde ich es durchaus nicht richtig, dass man starke und wohlgemute Seelen nur deshalb verachtet, weil sie Frauen sind ... .“ Teresa selbst lässt sich von der Geringschätzung der Frau in ihrer Zeit nicht beirren. Johannes vom Kreuz, ebenfalls ein großer Mystiker dieser Zeit, erhält von ihr seine Mönchskutte für den ersten „Männer-Ableger“ ihrer karmelitischen Reform-Klöster. Im Alter von 67 Jahren, am 4. Oktober 1582, stirbt Teresa. Ihr Kopf liegt in den Händen einer kastilischen Bauerntochter, und ihr Gesicht ist in einer unbeschreiblichen Ekstase verklärt.
aus: W. Christmann, Exemplarische Christen. Materialdienst 1-90
© Verlag Beate Christmann, Ilsede