„Unser Beitrag zur Diskussion“
Als Stefan Diefenbach und seine Mitstreiter sich vor gut zwei Jahren das erste Mal in Frankfurt trafen, wollten sie gute Beispiele für katholische Segensfeiern gleichgeschlechtlicher Paare zusammentragen – unter anderem. Das Thema war wichtig, natürlich. Doch es war weit entfernt von der drängenden Aktualität, die es durch die „Klarstellung“ der Kongregation für die Glaubenslehre nun erneut bekommen hat. Zur Erinnerung: Die Kongregation hatte am 15. März 2021 mitgeteilt, die Kirche habe keine Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen – und hatte damit eine deutschlandweite Welle des Widerspruchs ausgelöst.
Da war das Buch „Paare.Riten.Kirche“, herausgegeben von der gleichnamigen Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung (AKF e.V.), gerade vier Monate auf dem Markt. „Dadurch hat unser Buch natürlich nochmal eine neue Aktualität gewonnen“, sagt Stefan Diefenbach. Der 56-jährige Theologe, der gemeinsam mit Ursula Artmann den Weltladen Bornheim leitet und der selbst mit einem Mann verheiratet ist, hat das Buch mit einem weiteren Kollegen und zwei Autorinnen veröffentlicht.
Ein mutiger Schritt
Zunächst sei es der Arbeitsgruppe nur darum gegangen, Beispiele für Segnungsriten zusammenzutragen, die – entgegen der Kirchenlehre – längst praktiziert werden. Dafür haben er und seine Mitschreibenden über verschiedene Kanäle Priester und pastorale Mitarbeiter:innen angeschrieben und um Schilderungen gebeten, wie diese eine solche Segensfeier gestalten würden oder schon gestaltet haben. Allerdings hätte so mancher anfangs nicht viel Hoffnung auf einen großen Rücklauf gehabt, berichtet Diefenbach – denn öffentlich mit Namensnennung dafür einzustehen, dass man eine nach Kirchenrecht „verbotene“ Segensfeier praktiziert, sei natürlich ein mutiger Schritt. In der Tat war so mancher Beitrag, der eingesandt wurde, versehen mit dem Wunsch, er möge anonym aufgenommen werden.
Einen Nerv getroffen
Doch die Menge der Beiträge zeigte, dass Diefenbach, Lucia Lang-Rachor, David Walbelder und Barbara Wolf einen Nerv getroffen haben. Es kamen so viele gute Anregungen zusammen, dass schließlich die Idee entstand, sie in gedruckter Form herauszugeben. 35 Riten haben Eingang in das 235 Seiten starke Buch gefunden, das im November 2020 unter dem vollständigen Titel „Paare.Riten.Kirche - Wenn eine katholische Trauung nicht möglich ist: liturgische Beispiele gesammelt und kommentiert“ im Bonifatius-Verlag erschienen ist. Dabei unterscheidet es sich von anderen Publikationen zum Thema. „Es gibt natürlich viele andere Bücher, in denen Theologinnen und Theologen Argumente austauschen, doch eine Evaluation der Praxis gab es bisher noch nicht“, so Diefenbach.
Durch das Buch wird in die theologische Diskussion der Puzzlestein der Praxis eingebracht.
Stefan Diefenbach, Theologe
Untersucht haben die Vier die Fragen: Wer segnet in welchen Gottesdienst-Formen? Wo wird gesegnet? Und welche Symbole wie Ringe oder Kerzen sind für die Riten wichtig? Beim Blättern durch das Buch wird klar, dass die Praxis so lebendig und bunt ist wie diejenigen, die sich den Segen der katholischen Kirche für ihre Liebe wünschen. „Es ist toll, zu sehen, wie kreativ und verantwortungsvoll die Beteiligten damit umgehen; sie kopieren nicht einfach das Ehesakrament, sondern machen sich viele Gedanken“, sagt der Frankfurter Theologe. Er betont: „Wir möchten raus aus der Grauzone der Segensfeiern und zeigen, dass bei dieser Art der Segensfeiern eben nichts getan wird, das nicht anerkannt werden könnte.“ Dabei nehmen die zwei Autorinnen und zwei Autoren auch wiederverheiratete Geschiedene mit in den Blick sowie Paare, die aus anderen Gründen nicht kirchlich heiraten können oder möchten.
Dankgottesdienst, Haussegen oder Gemeindezuspruch
Die Beispiele sind vielseitig. Eine Idee ist ein Dankgottesdienst für die geschlossene standesamtliche Ehe, eine andere die Segnung eines Hauses, inklusive des Paares, das darin lebt. Und auch ein Wortgottesdienst in einer Kirche, bei dem die versammelte Gemeinde anstelle des Pfarrers den Segen spricht, hat Einzug in die Sammlung gefunden. Nicht alle, aber manche Konzepte finden in einer Kirche oder einer Kapelle statt. „Den Segen in einem Gotteshaus zu erhalten ist für viele Menschen eine Wiedergutmachung und Heilung für erlittene Verletzungen“, so Diefenbach.
Er freut sich über die große Solidarität, die seit der Äußerung der Glaubenskongregation spürbar ist. Der Katholik versucht, optimistisch zu bleiben: „Ich deute dieses brutale Nein so, dass die Befürworter von Segensfeiern richtig starke Argumente haben.“ Das Buch sei aber nicht als Handbuch zu verstehen, unterstreicht Diefenbach: „Wir wollen und können keine Anleitung für solche Feiern geben, da ja gerade noch im Synodalen Weg darüber gesprochen wird. Das Buch ist unser Beitrag zur Diskussion: Wir dokumentieren, was andere bereits tun.“
Weitere Informationen über das Buch gibt es unter https://www.bonifatius-verlag.de/artikel/paare.riten.kirche.