- Teil I: Angelus Domini - Der Engel des Herrn
- Teil II: Das hörende Herz
- Teil III: Fiat voluntas tua - Dein Wille geschehe
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
in diesen Tagen weltweiter Krise ist ein Gebet wieder in den Fokus gerückt, das zu beten die Glocken vieler Kirchen dreimal am Tag rufen: Um 6, um 12 und um 18 Uhr.
Es handelt sich um den Angelus, den Engel des Herrn.
Es ist ein zutiefst biblisches Gebet, das schon in seinen Anfängen immer mit der bedrängten Christenheit verbunden war, die bei der Gottesmutter ihre Zuflucht sucht. In den folgenden Tagen möchte ich über die einzelnen Teile einige Überlegungen mit Ihnen teilen.
Ich freue mich über Ihr Mitbeten und Mitdenken und auch über Rückmeldungen und Nachfragen!
Ihr
Lucas Weiss
Das Angelus-Gebet
Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft.
- Und sie empfing vom Heiligen Geist.
Gegrüßet seist du, Maria …
Maria sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn.
- Mir geschehe nach deinem Wort.
Gegrüßet seist du, Maria …
Und das Wort ist Fleisch geworden.
- Und hat unter uns gewohnt.
Gegrüßet seist du, Maria …
Bitte für uns, heilige Gottesgebärerin.
Auf dass wir würdig werden der Verheißungen Christi.
Lasset uns beten.
Allmächtiger Gott, gieße deine Gnade in unsere Herzen ein. Durch die Botschaft des Engels haben wir die Menschwerdung Christi, deines Sohnes, erkannt. Führe uns durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung. Darum bitten wir durch ihn, Christus, unseren Herrn. Amen.
Teil III: Fiat voluntas tua - Dein Wille geschehe
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
im dritten Teil dieser Reihe möchte ich auf die Antwort der Gottesmutter schauen.
Es ist ja im Grunde dieser Dreischritt:
- Gott (durch den Engel) ruft den Menschen und möchte ihm einen Auftrag, eine Sendung, eine Aufgabe geben.
- Der Mensch hört das Wort, öffnet sein Herz für die Botschaft Gottes und denkt darüber nach.
- Der Mensch antwortet auf den Ruf. Ablehnend, ignorierend oder zustimmend.
Wie antwortet Maria? Zweifach: „Wie soll das geschehen?" – und nach der Erklärung: „Ich bin die Mag des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast.“
Oft heißt es, Maria habe ihr fiat gegeben, ihr „es werde“! Dieses fiat selber nimmt drei wichtige Stellen in der Heilsgeschichte ein! Zunächst im Schöpfungsbericht: Durch Gottes Wort, durch sein wirkmächtiges fiat entsteht die Schöpfung: fiat lux – es werde Licht!
Der zweite Schöpfungsakt ist sozusagen das marianische fiat. Durch das „es werde“ der Gottesmutter nimmt die Neuschöpfung in Jesus Christus ihren Anfang. Der Gott, der selber das große fiat sprach und spricht, will durch das fiat dieser Frau die Schöpfung erneuern. Der Schöpfer selbst wird Geschöpf, überlässt es einem Geschöpf all dem zuzustimmen oder all das abzulehnen. Und hier kommt ein entscheidender Punkt ins Spiel: die Freiheit.
Hätte Maria „Nein“ sagen können? Ja, das hätte sie – ja es muss möglich gewesen sein, sonst wäre unser Gott ein Betrüger, ein Despot. Nur wenn Maria die Wahlfreiheit hatte, ist es wirklich ein Liebesakt, den Gott mit der Menschwerdung gesetzt hat. Nur die Liebe macht frei und eine Liebe ohne Freiheit ist keine Liebe, sondern Zwang, Besitzergreifung – Tod!
Und ein drittes ist gegeben: Unser fiat! Im Vater Unser beten wir auf Latein:
„fiat voluntas tua – dein Wille geschehe“
Ich bin aufgerufen, meinen Beitrag zur Heilsgeschichte zu leisten, indem ich in den Willen Gottes einwillige, auch wenn er oft so dunkel und unklar scheint. Es gilt, seinen Ruf zu hören, mit dem Herzen zu erfassen und ihm in der geschenkten Freiheit zu antworten. Kann ich in meinem Leben das fiat sprechen, das Gott an uns alle heranträgt, bis unter das Kreuz, wie die Gottesmutter?
Mein Vorschlag lautet: Beten Sie das Vater Unser einmal ganz bewusst, ganz konzentriert. Das ist nicht leicht – ich bete es oft sehr schnell und unaufmerksam, will es aber versuchen. Wenigstens einmal am Tag ganz bewusst: Dein Wille geschehe!
Gott schütze und segne Sie und Ihre Lieben!
Ihr
Lucas Weiss
Teil II: Das hörende Herz

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
im ersten Teil dieser Betrachtungsreihe haben wir auf den Engel Gabriel und die Engel grundsätzlich geschaut.
Nun möchte ich auf den Vorgang selbst blicken: „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft“, oder direkter übersetzt: Der Engel des Herrn verkündigt Maria.
Maria ist Adressatin der Verkündigung, des Angebotes Gottes. Dieses Angebot muss zuerst gehört werden – wie passend sagt der Römerbrief (Röm 10, 14.15.17):
„Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündet? Wie soll aber jemand verkünden, wenn er nicht gesandt ist? Wie geschrieben steht: Wie willkommen sind die Füße der Freudenboten, die Gutes verkünden! […] So gründet der Glaube in der Botschaft, die Botschaft aber im Wort Christi.“
Es ist die Eröffnung eines Dialoges zwischen Gott und Mensch, er kommt auf uns zu und will uns, wie die ganze Heilige Schrift bezeugt, einen neuen Weg zu ihm eröffnen, damit wir gesandt werden können, selber Botschafter zu werden. Nach vielen Versuchen und vielem Scheitern schreitet Gott zum Äußersten. Das Wort, das alles geschaffen hat, dieses Wort soll Mensch werden. Aber nicht erzwungen, sondern in Freiheit. Das Lukasevangelium legt Wert darauf, dass Maria auch die Möglichkeit hat zu antworten, nachzufragen. Es handelt sich also nicht um einen Pseudodialog: Maria hätte sich gegen das Angebot entscheiden können, so wie auch wir die Wahl haben, uns für oder wider Gott und sein Angebot zu entscheiden.
Der Engel verkündigt den Plan und Maria fragt nach: „Wie soll das geschehen?“
Diese Frage kommt von Herzen und spricht sicher vielen aus dem Herzen, die vor großen Herausforderungen oder kühnen Plänen stehen, die nicht recht wissen, wie das geschehen, wie das gelingen soll. Schaute Maria vielleicht schon weiter als bloß auf das Geschehen von Empfängnis und Geburt? Kannte sie nicht auch die Heilige Schrift und die Schicksale der Propheten? Würde der Plan aufgehen, oder sind darin nicht zu viele Variablen enthalten, zu vieles, was nicht berechenbar ist? Maria bringt ihre Sorgen, ihre Bedenken zum Ausdruck ohne sich zu verschließen, sie hält am Dialog fest.
Dieses Geschehen steht am Anfang dieser Etappe der Heilsgeschichte: Das Wort ergeht an Maria. Sie soll das Wort nicht nur hören, sondern mit dem Herzen erfassen, mit dem Herzen hören. Wir könnten sagen, dass der Auftrag nicht lautet „höre auf dein Herz“, sondern „höre mit deinem Herzen“! Und sie tut genau das, sie öffnet und eröffnet ihr Herz, die Bedenken und das Vertrauen.
Wie ist mein Herz gebildet? Lass ich es prägen von der Botschaft Jesu? Oder ist es eigenwillig, stolz und verschlossen?
Ich wünsche Ihnen, dass Sie beim Beten neu das Herz öffnen, denn Gebet ist Dialog, den nicht wir öffnen müssen. Unser Gebet ist eine erste Antwort. Ich lade Sie ein, das dritte Kapitel im 1. Buch der Könige zu lesen und zu betrachten, dort heißt es im 9. Vers:
„Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz.“
Vielleicht kann dies unsere erste Antwort im Dialog mit Gott sein!
Gott segne und beschütze Sie und die Ihnen anvertrauten!
Ihr
Lucas Weiss
Teil I: Angelus Domini - Der Engel des Herrn
Liebe Schwestern und Brüder,
heute feiert die Kirche das Fest der Verkündigung des Herrn. Man könnte es als „kleines Weihnachtsfest“ ansehen: Der Heilige Geist kommt über die Gottesmutter und sie empfängt Christus, der als wahrer Gott wahrer Mensch wird.
Der erste Teil des Angelusgebetes lautet:
Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft, und sie empfing vom Heiligen Geist. (Vgl. Lk 1,28–35 EU)
In diesem Satz zeigt sich das Festgeheimnis der Verkündigung der Herrn (25. März). Auf den ersten Teil möchte ich mich im Folgenden beziehen: Engel – biblische Gestalten – sind heute aus dem kirchlichen Bewusstsein beinahe vollständig verschwunden. Die Esoteriker haben sie gerne in ihr Repertoire aufgenommen. Versuchen wir, sie zurückzugewinnen!
Engel spielen in der Heilsgeschichte eine erhebliche Rolle: Oft namenlos sind sie Abgesandte Gottes, zuweilen werden sie mit ihm beinahe identifiziert. Der Engel dieses Gebetes ist der Erzengel Gabriel: Er begegnet uns im Buch Daniel und im Evangelium nach Lukas, auch der Islam kennt ihn.
Aber grundsätzlich: Was sind Engel?
Engel sind Geschöpfe Gottes, sie sind keine Ganz- oder Halbgötter, sondern Geister.
Im Katechismus Nr. 329 heißt es:
"Der hl. Augustinus sagt: ',Engel‘ bezeichnet das Amt, nicht die Natur. Fragst du nach seiner Natur, so ist er ein Geist; fragst du nach dem Amt, so ist er ein Engel: seinem Wesen nach ist er ein Geist, seinem Handeln nach ein Engel' (Psal. 103,1,15). Ihrem ganzen Sein nach sind die Engel Diener und Boten Gottes. Weil sie 'beständig das Antlitz meines Vaters sehen, der im Himmel ist' (Mt 18,10), sind sie 'Vollstrecker seiner Befehle, seinen Worten gehorsam' (Ps 103,20)."
Im Hebräischen heißt Engel mal'ach, was Bote oder Abgesandter bedeutet. Vielleicht kennen Sie das Buch des Propheten Maleachi, was nichts anderes heißt als „Mein Bote“. Im Griechischen wurden daraus die angeloi und schließlich auch das euangélion: Die frohe Botschaft.
Warum aber braucht es solche Boten?
Es ist tiefste biblische Überzeugung, dass man Gott nicht direkt schauen kann, da man sonst sterben müsste: Mose verhüllt sein Gesicht und wendet sich ab, um nicht zu sterben. Gott spricht mittels brennenden Dornbuschs zu ihm. Ein Engel hält Abraham davon ab, Isaak zu töten. Michael verteidigt das Gottesvolk und bezwingt den Teufel! Engel haben die Aufgabe zu schützen und zu begleiten, wie Raffael, aber auch zu strafen und zu zerstören, wie der Engel vor der Paradiesespforte oder die beiden Engel, die Sodom vernichten!
Da der Engel des Herrn zuweilen mit dem Herrn selber identifiziert wird, ist es wichtig zwischen beiden zu unterscheiden. Für die biblische Botschaft ist es fundamental, dass nicht Gott selbst in das Gemach Mariens eintritt, sondern sein Bote, nämlich derselbe, der bereits Zacharias die Geburt des Täufers angekündigt hat! Gott verkleidet sich nicht wie Zeus als Schwan, welcher die Schönheit umgarnt und verführt. Vielmehr setzt er auf volle Klarheit und schickt diesen Engel Gabriel, der die Botschaft darlegt: den Plan Gottes zur Rettung der Menschheit.
Der Botschafter bringt die frohe Botschaft!
Nie verkündet ein Engel sich selbst, nie steht er für sich selbst, sondern immer für den, der ihn gesandt hat. Wie ein Botschafter sein Land vertritt, steht der Engel an Gottes statt. Hier zeigt sich das Grundmuster christlicher Existenz: Wir als Christen haben eine Sendung, wir sollen nicht uns selbst verkünden, sondern den, der uns gesandt hat. Jesus sagt es selbst im Johannesevangelium: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ (Joh 20, 21b)
Was also sagt der Engel? Er bietet Maria an, die Sendung anzunehmen, die Gottvater für sie vorgesehen hat, und was für eine! Sie soll sich ganz in den Dienst Gottes stellen und ist uns darin Vorbild und Hilfe.
Welche Sendung trägt Gott an mein Leben heran? Bete ich zu meinem Schutzengel?
Ich lade Sie herzlich ein, die Engel wieder zu entdecken. Nicht esoterisch, sondern biblisch, zum Beispiel den Erzengel Raffael im Buch Tobit mit seinen 14 kurzweiligen Kapiteln! Oder die Engel in der Offenbarung des Johannes, deren „Heilig, Heilig“ wir in jeder Heiligen Messe singen!
Mögen Ihre Schutzengel auf Sie aufpassen!
Gesegnetes Hochfest!
Ihr
Lucas Weiss